Dorothea Schrade schreibt: Ich bin ein Glückskind! Da sitze ich, ohne Atelier (vernichtet durch Brand), eingezwängt in einer Stube, male Kleinformate, fühle mich verklemmt. Da kommt Freund Adrian zu Besuch, wir reden übers Bauen, über Strohballen und Fenster aus Schloss Mochental, die ich habe. Adrian sagt: Wir machen einen experimentellen Bau aus Strohballen und den Fenstern! Ein neues Atelier! Wir bauen selber! Ich habe nur Materialkosten. Aus Begeisterung verschicke ich Einladungen, bevor irgendetwas gemacht ist. Nicht zu glauben: Alles klappt. Am Freitag erscheinen vierzehn Engel in Arbeitsmontur mit Selina, zuständig für Entwurf, Behördengänge, Organisation. Das Räderwerk läuft. In gelassener Stimmung, trotz Regen, wächst ein Wunderwerk aus Stroh, Holz und Glas aus dem Boden. Beim Eintritt fühlt man sich, als betrete man eine Kathedrale. Der Geruch nach Stroh. Das Licht durch die hohen Fenster. Das Laub ist von den Bäumen: Es sieht aus, als wäre es schon immer da gewesen.
Keine Showadresse. Das Atelier drängt nicht danach, gesehen zu werden. Unglück und Chance für Neues, wie nahe das beieinander liegt – und wie mutig diese Chance ergriffen wurde! Auf kleinem Raum, in stimmigen Proportionen, mit geringem und doch achtsam dimensioniertem Materialeinsatz wurde große Atmosphäre geschaffen. Viel übereinstimmende Radikalität zwischen Bauwerk und glücklicher Bauherrin kommt hier zum Ausdruck.
Vollkommenheit war dabei nicht Ziel, auch nicht die Schaffung eines Kunstwerkes. Künstlerische Haltung wird hier auf anderer Ebene sichtbar. Der Mut zum gelungenen, aber auch entwicklungsfähigen Experiment hat so viel Reibungsfläche wie Zukunft. In diesem Sinne ist das entstandene Atelier nicht nur Erlebnis, sondern ebenso prozesshafte Forschungsstation.
Mit den Worten von Hugo Häring: Eine polierte Metallkugel ist zwar eine phantastische Angelegenheit für unseren Geist, aber eine Blüte ist ein Erlebnis.